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von Hildegund Amanshauser 

Vorwort des Kataloges "Theresa Frölich – A Semi-Spiritual Thing" hrsg. von Hildegund Amanshauser, Berlin 2008

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Was haben der perfekte Frauenkörper, der „Everhard Cock“ und der Heilige Geist, die paradiesische Palmenlandschaft und die Mutter Gottes gemeinsam? Sie alle handeln von einer Welt, die über die alltägliche materielle Existenz in einer linearen Zeit hier und jetzt hinausgeht. Sie erzählen von Wünschen und Sehnsüchten, aber auch von Angst und Schrecken. Diese Szenarien gibt es in der Phantasie, in Mythen, in der Religion und im Internet, im Cyberspace. Davon handeln auch die Arbeiten von Theresa Frölich, deren Bilderwelt mediale Images recycelt, in den letzten Jahren vor allem solche aus dem Internet, bevorzugt aus dem Spiel Second Life.


Im Selbstversuch hielt sich Theresa Frölich für einige Monate im Onlinespiel Second Life auf. Sie recherchierte dabei, wie man sich in einer Parallelwelt ein neues Leben, einen neuen Körper, eine zweite Existenz schafft und befragte MitspielerInnen dazu, welche Auswirkungen das Spiel für sie in ihrem „realen“ Leben hat. Körper, Sexualität und Spiritualität spielten auch hier, wie in allen Arbeiten Frölichs, eine zentrale Rolle. In Folge entstand die Installation „Soul Surfer“: Weißer Styroporboden, weiße Wände und weiße Fäden, die den Raum verspannten, Licht und Schatten, eine Bank und ein Büchlein. Dieses lieferte Bilder, Images und so etwas wie eine Narration, eine Geschichte über Second Life. Den Abschluss der Ausstellung bildete ein Vortrag von Gundolf S. Freyermuth über die Konsequenzen der Digitalisierung in Hinblick auf die Selbstwahrnehmung des Menschen.


Anhand dieser Arbeit lassen sich wichtige Kennzeichen, die die Arbeit von Theresa Frölich in den letzten Jahren charakterisieren, ablesen. Theresa Frölich arbeitet im Raum, selbst wenn sie Bilder an die Wand hängt, greifen diese in den Raum ein. Ihre Technik ist eine der ältesten Kulturtechniken: Fäden spannen und sticken. Ihre Tafelbilder werden mit den Fäden, aus denen sie bestehen, in den Raum, zum Beispiel an eine angrenzende Wand verspannt, mit den Fäden an der Wand beschriftet, etc. Wie „Soul Surfer“ sind viele ihrer Arbeiten der letzten Jahre Rauminstallationen. Dieser Raum entwickelte durch das weiße Allover und die weißen, nahezu unsichtbaren Fäden eine gewisse Unbestimmtheit, die zahlreiche Rauminstallationen der Künstlerin kennzeichnen. Sie öffnen im realen Raum zugleich einen imaginären, der in diesem Fall unter anderem durch das zur Ausstellung gehörende Buch mit Bildern unterfüttert wurde. Der Raum fungiert aber zugleich als Ausgangspunkt für einen Imaginationsraum der Betrachter.


Wie sich die Fäden im Bild, im Raum spannen, so stellt Frölich bei vielen ihrer Arbeiten auch Verbindungen zu anderen Disziplinen, Künstlerkollegen, TheoretikerInnen etc. her – in diesem Fall durch den Vortrag Freyermuths. Wie Theresa Frölich an gefundene Bilder anknüpft, seien es Medienbilder, Filme oder Kunstwerke von KollegInnen, die sie in ihre Projekte integriert, so collagiert sie auch wissenschaftliche Erkenntnisse assoziativ in ihre Arbeiten und knüpft dabei Netzwerke zwischen verschiedenen Disziplinen, Netzwerke, die sich bildlich in den Fädenstrukturen wiederfind